Kirchengeschichte

Entwicklung

Die protestantischen Kirchengemeinde Bellheim - Ihre geschichtliche Entwicklung und ihre Kirchengebäude

Im Jahre 1930 veröffentlichte der protestantische Gemeindepfarrer, Georg Biundo seine »ortsgeschichtliche Studie über »Bellheim im Wandel der Zeiten« 1, das eigentliche Standardwerk über die Geschichte des Ortes. Bis heute ist kein weiterer Versuch einer umfassenden und bis in unsere Zeit hineinreichenden Ortsgeschichte unternommen worden. Lediglich Kurzbeiträge, die sich mit besonderen Aspekten der Ortsgeschichte befassen, sind im Heimatbuch zur 1200-Jahrfeier der Gemeinde zu finden. 2
Mein Beitrag befaßt sich mit der protestantischen Kirchengemeinde und den Kirchengebäuden, die sie bisher benutzt hat. Er beschränkt sich auf eine knappe Zusammenfassung der Erbnisse der Forschungen Biundos zu dem genannten Teilaspekt. Er erhebt nicht den Anspruch, aus erneuter historischer Forschung entstanden zu sein.

Der Ort Bellheim findet seine erste Erwähnung in einer Schenkungsurkunde des Klosters Lorsch aus dem Jahr 774 n. Chr. als »Bellinheim« im Speiergau. Der Ort ist eine fränkische Siedlung, die im Mittelalter einige Bedeutung gewann. Wie das kirchliche Leben in diesem Dorf im frühen Mittelalter aussah, kann man nur erahnen, eine feste Uberlieferung aus diesen frühen Zeiten ist nicht vorhanden.

Mitte des 14. Jahrhunderts gab es in Bellheim eine eigene Pfarrei, sowie eine dem St. Cyriakus geweihte Kapelle, deren Standort Biundo in der Nähe der heutigen Brauerei Silbernagel vermutet. Das benachbarte, 808 v. Chr. erstmals erwähnte Knittelsheim war zeitweise eigene Pfarrei und zeitweise auch Filiale von Bellheim.

In den Jahren 1482 bis 1485 entstand die uns in Quellen erstmals genannte »Kirche mitten im Dorf«, an der Stelle der heutigen katholischen Kirche. Sie muß wohl eine Vorgängerkirche im Süden des Ortes gehabt haben.

Die »neue« Kirche wurde durch eine Feuersbrunst im Jahre 1524 zusammen mit verschiedenen Häusern in Schutt und Aschegelegt. Sie wurde jedoch sofort wieder aufgebaut. In dieser Zeit zeigte sich der erste Einfluß der Reformation Martin Luthers in unserer Gegend. Kirchliche Quellen klagen über den Abfall vom Glauben und über ausschweifendes Leben des Klerus. 1556 führte Kurfürst Ottheinrich (1556 bis 1559) die lutherische Lehre in seinem Territorium ein. Die Kurpfalz wurde also lutherisch gemäß den Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555, nach denen sich die Religion der Untertanen nach der ihrer Fürsten zu richten hatte. Die Bellheimer Kirche wurde nun evangelische Predigtstätte. Die pfälzischen Kurfürsten konvertierten in der Folgezeit mehrmals vom Luthertum zum Kalvinismus und umgekehrt. So wechselten die Bellheimer und mit ihnen die Bewohner der Region mehrmals ihre Konfession:

1563 wurden sie kalvinistisch, der reformierte Katechismus wurde eingeführt, 1576 unter Kurfürst Ludwig VI. wieder lutherisch, und 1583 unter Kurfürst Casimir erneut kalvinistisch.

Danach blieb die Pfalz etwa vierzig Jahre lang von weiteren »Reformationen« verschont.

Der Dreißigjährige Krieg brachte erneut, jetzt mit kriegerischer Gewalt durchgesetzte, Religionswechsel von den protestantischen Bekenntnissen zum Katholizismus und umgekehrt.

Nach der Beendigung des 30jährigen Krieges führte Kurfürst Karl Ludwig wieder das reformierte (kalvinistische) Bekenntnis ein. Dieser Zustand währte bis 1684.

1674 war Germersheim von den Truppen des französischen Königs Ludwig XIV. niedergebrannt worden. In dieser Zeit machten sich die sogenannten Reunionskammern Ludwigs daran, Rechtsansprüche auf Gebiete zu erheben, die früher einmal z. B. zum Elsaß gehört hatten. In der Folge wurden diese Gebiete dann dem französischen Staat einverleibt. Das gesamte Oberamt Germersheim gehörte dazu.

Ludwig XIV. veranlaßte in den besetzten Gebieten eine »Mission« durch die Jesuiten. Eine Quelle berichtet: »Nun wurde vom Staatshalter... die Mission am 26. April 1684 nach Bellheim verlegt, einem Dorf, das an Bedeutung, aber auch durch sein hartnäckiges Verhalten an der kalvinischen Lehre die übrigen Ortschaften übertraf«. (Biundo, S. 64).

Von 1684 bis 1705 gab es infolge der erfolgreichen »Mission« keine evangelische Gemeinde mehr. Die Pfarrkirche ging nach Wiedereinführung des alten Glaubens wieder in die Hände der katholischen Pfarrei über.

Nach dem Ryswiker Frieden von 1697 und der sogenannten »Kurpfälzischen Religionsdeklaration« von 1705 wurde der Kirchenbesitz aus dem Jahr 1684 festgeschrieben. Erst ab 1707 entstand wieder eine kleine reformierte Gemeinde, die sich nur langsam aufwärts entwickelte. 1756 beschloß diese 28 Familien zählende Gemeinde den Bau einer Kirche, zu dem ein »Hausplatz mitten im Dorf« erworben wurde. Über die Übernahme der Kosten, die zum Teil auch von der katholischen Pfarrei erfolgen sollte, gab es damals einen heftigen Streit, der nur durch ein Machtwort der kurpfälzischen Regierung in Heidelberg beendet werden konnte. Im Dezember 1756 wurde die reformierte Kirche feierlich eingeweiht.

Die wenigen Lutheraner (53 Seelen im Jahre 1749, 15 Bürger [d. h. Männer] im Jahre 1755) hielten - zunächst von einem Pfarrer aus Schwegenheim, später von einem Vikar betreut - ihre Gottesdienste in einer Scheune ab. Als die Scheune (1755) einzustürzen drohte, baute man unter großen Entbehrungen ein Bethaus, das bis 1823 bestand und dann »auf Abriß« versteigert wurde.

In der Zeit der Französischen Revolution wurden die drei Gotteshäuser in Bellheim zweckentfremdet. Das lutherische Kirchlein wurde als Schlachthof, die reformierte Kirche als Brotmagazin und die katholische Kirche als Spital verwendet.

Nach der Vereinigung der reformatorischen Kirchen durch die »Union« im Jahre 1818 wurden die reformierte und die lutherische Gemeinde in Bellheim zusammengeführt. Die reformierte Kirche diente fortan als Gottesdienststätte. Da sich die Kirche schon in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts in einem schlechten Zustand befand und erneuert werden mußte, erfolgte 1848 eine durchgreifende Umgestaltung. Diese Kirchenrenovierung kostete 433,06 Gulden. Im Mai 1856 fand mit großem Gepränge die Hundertjahrfeier des Kirchengebäudes statt. Es zeigte sich, daß die Kirche - besonders an Festtagen - zu klein war.

Schon im September 1867 beschloß der Gemeinderat des Ortes Bellheim den Bau von zwei neuen Kirchen aus Gemeindemitteln. Diesem Beschluß stimmte das Presbyterium zu. Zuerst wurde die katholische Kirche gebaut; sie wurde 1869 vollendet.

Für die protestantische Kirche wurde 1870 der Grundstein gelegt, 1872 wurde sie feierlich eingeweiht. Fast zwei Jahre lang wurde Gottesdienst im Schulhaus abgehalten. Die Kirche ging im Jahre 1900 durch Grundbucheintrag in das Eigentum der protestantischen Gemeinde über.

Bis 1930 wurden mehrere Kirchenrenovierungen vorgenommen, bei denen die Wand über den Eingangstüren saniert, die Dachrinnen erneuert, die Fenster neu eingebleit und das Dach repariert werden mußten. 1924 wurde in der Eingangshalle eine Ehrentafel für die Gefallenen angebracht.

Die Kirche - im neugotischen Stil erbaut - hatte vor dem 1. Weltkrieg drei Glocken, die aber während des Krieges eingeschmolzen wurden. 1922 wurden zwei neue Glocken in den Turm eingebracht.

Die erste Orgel aus dem Jahr 1820 wurde 1872 zunächst in die neue Kirche übernommen, aber schon 1894 durch eine neue, größere Orgel (Kosten: 8151, - Mark) ersetzt. Seit 1886 kann die Kirche durch einen Ofen, seit 1928 durch eine Dampfheizung beheizt werden. In früheren Zeiten wurden Kerzen zur Beleuchtung benutzt, später Petroleumlampen. 1928 wurde elektrisches Licht installiert.

In der Kirchengemeinde Bellheim entstanden 1838 ein Bibelverein, 1855 eine Kinderschule zur »Pflege und Bewahrung« von Kindern im Alter von 2 bis 6 Jahren, 1891 ein Kirchengesangverein und 1929 ein »Protestantischer Frauenverein«.

Schule und Unterricht waren in früheren Zeiten mit der Kirche eng verbunden. Nach Biundo läßt sich schon vor und besonders in der Reformationszeit eine Schule nachweisen. Der Wechsel der Konfession wirkte sich jedesmal auf die Schule aus. Im 19. Jahrhundert gab es sowohl eine katholische wie auch eine protestantische Schule. Dieser Zustand hielt - mit Ausnahme der nationalsozialistischen Zeit - bis 1970 an, als die Christliche Gemeinschaftsschule eingerichtet wurde.

Seit Anfang des 18. Jahrhunderts sind die Protestanten in Bellheim in der Minderheit. Bevölkerungsdaten von 1730 weisen in Bellheim 225 Protestanten und 625 Katholiken auf; 1824 sind es 686 Protestanten und 1314 Katholiken, 1925 sind es 931 Protestanten und 2876 Katholiken. Anfang 1988 lebten in Bellheim 2046 Protestanten und 4873 Katholiken. Das Zahlenverhältnis hat sich trotz Zuzugs von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht entscheidend verändert.

Die nationalsozialistische Zeit hatte das Verhältnis der Konfessionen zueinander stark belastet. Bis weit in die siebziger Jahre beeinflußte der Konfessionsgegensatz auch die Gemeindepolitik.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde 1962 ein neuer Kindergarten errichtet. Außerdem wurde das alte protestantische Schulhaus zum Gemeindehaus umgebaut.

1989 wurde eine weitgreifende Renovierung der Kirche in Angriff genommen, nachdem die Kirchenfenster schon vorher verbleit worden waren. Die Kirchengemeinde besitzt nun wieder ein geschmackvoll restauriertes Gotteshaus.

E. Melsbach 1990

1 = Georg Biundo, Bellheim im Wandel der Zeiten, Eigenverlag 1930

2 = 1200 Jahre Bellheim, hsgg. von der Gemeindeverwaltung Bellheim, 1974